
Warum ich als intergeschlechtlicher Mensch das Gendern mit Sternchen ablehne!
In den letzten Jahren wird viel über das Gendern gesprochen, diskutiert und gestritten. Besonders das Gendersternchen (*) oder die Gender-Gap (Binnenunterstrich oder Sprechpause) stehen im Fokus. Als intergeschlechtlicher Mensch fühle ich mich jedoch von dieser Diskussion nicht vertreten. Im Gegenteil – ich lehne das Gendern mit Sternchen ab. Nicht, weil ich gegen Gleichberechtigung oder Sichtbarkeit bin. Sondern, weil diese Debatte an unseren eigentlichen Themen vorbeigeht und uns sogar schadet.
Oft wird so getan, als sei das Gendersternchen eine neue, progressive Idee. Das stimmt nicht. Tatsächlich stammt es aus den 1980er-Jahren, als es erstmals als Möglichkeit diskutiert wurde, Transmenschen – die man damals oft schlicht als „Transsexuelle“ bezeichnete – sprachlich sichtbar zu machen. Zu dieser Zeit gab es kein differenziertes Verständnis von trans, inter oder nicht-binär, geschweige denn entsprechende Begriffe. Das Sternchen war also ein Symbol, um auf Menschen hinzuweisen, die nicht in das klassische Geschlechterbild passten.
Doch diese Idee stieß schon damals auf Ablehnung. 1997 wurde das Gendersternchen in gesellschaftlichen Diskussionen und Umfragen mehrheitlich kritisch gesehen. Es wurde nicht angenommen. Sprachwissenschaftlerinnen, politische Gruppen und auch Menschen aus der Community selbst kritisierten es als schwer verständlich und unpraktisch – vor allem im Alltag. Man kann also sagen, das Sternchen bekam von der Gesellschaft ein Veto. Die Diskussion schien abgeschlossen.
Erst rund um 2013 kam das Thema wieder auf, im Zuge der Möglichkeit, den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister offen zu lassen. Mit dieser neuen rechtlichen Entwicklung griffen bestimmte Gruppen das Sternchen erneut auf – diesmal als Symbol für mehr geschlechtliche Vielfalt. Doch im Kern war es die alte Debatte, nur neu verpackt. Es wurde verkauft als „Fortschritt“, obwohl es eigentlich ein Wiederaufguss der Diskussionen von damals war. Und auch heute zeigt sich, dass diese Form des Genderns weder barrierefrei noch alltagstauglich ist.
Für uns intergeschlechtliche Menschen bedeutet das Sternchen keine echte Sichtbarkeit. Es reduziert uns erneut auf ein Symbol und zwingt uns in eine Schublade, die wir gar nicht wollen. Wir sind keine Sternchen. Wir brauchen auch keine Sondersymbole. Was wir brauchen, ist eine neutrale Sprache – eine, die niemanden zwingt, sich zu erklären, eine, die niemanden ausschließt, aber auch niemanden zur Diskussion zwingt, wie man nun korrekt „gegendert“ werden möchte.
Dass Neutralisierung in der Sprache möglich ist, zeigt die deutsche Sprache selbst seit Jahrhunderten: Begriffe wie „Studierende“, „Lehrende“ oder „Mitarbeitende“ existieren lange vor der Genderdebatte. Diese Wörter sind verständlich, inklusiv und auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich. Das Gendersternchen hingegen ist vor allem für sehende Menschen gemacht. Es lässt sich schlecht vorlesen, Vorlesesoftware kommt damit oft nicht zurecht, und in der gesprochenen Sprache wirken die Gender-Pausen sperrig und unnatürlich. Barrierefreiheit sieht anders aus.
Das größte Problem aber bleibt: Diese Diskussion lenkt von den wirklich wichtigen Themen ab. Während hitzig darüber gestritten wird, ob „Lehrer*innen“ oder „Lehrerinnen und Lehrer“ geschrieben werden sollte, bleiben zentrale Anliegen intergeschlechtlicher Menschen weitgehend unbeachtet. Es geht um ganz grundlegende Fragen: Welche Blutwerte gelten für uns als gesund oder krank? Nach welchen medizinischen Richtlinien werden wir behandelt? Haben wir ein Recht auf selbstbestimmte Entscheidungen bei Operationen oder hormonellen Eingriffen? Wie steht es um unser Abstammungsrecht, um das Recht auf Adoption oder den Diskriminierungsschutz? Werden Gewalt und Straftaten gegen uns überhaupt registriert, angezeigt und verfolgt?
Solange sich die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf symbolische Sprachfragen richtet, bleiben diese existenziellen Probleme unsichtbar. Die Diskussion ums Gendersternchen ist eine Stellvertreterdebatte, die echte Veränderungen aufhält oder überlagert.
Mein Wunsch ist einfach: Eine Sprache, die funktioniert. Eine, die alle Menschen anspricht, ohne zu separieren oder zu stigmatisieren. Eine Sprache, die auch im Vorlesen, in einfacher Sprache und für alle verständlich bleibt. Wir brauchen kein Sternchen, wir brauchen Respekt. Wir brauchen keine kosmetischen Lösungen, sondern eine offene und ehrliche Auseinandersetzung mit den echten Problemen, die uns intergeschlechtliche Menschen betreffen.
Sprache soll verbinden, nicht spalten. Und ich, als intergeschlechtlicher Mensch, fordere kein Symbol. Ich fordere, dass unsere Themen endlich ernst genommen werden.